Prof. Dr. Julia Tjus
Theoretische Physik, insbesondere Plasma-Astroteilchenphysik
Forschung
In der Astroteilchenphysik beschäftigen wir uns mit der Frage nach dem Urprung der Kosmischen Strahlung. Die Kosmische Strahlung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als radioaktive Strahlung aus dem Weltall identifiziert. Man geht davon aus, dass die Teilchen in astrophysikalischen Plasmen beschleunigt werden, welche sich als Schockwelle ausbreiten, die man aus vielen Zusammenhängen kennt, zum Beispiel ist auch ein Tsunami eine Schockwelle. Ein astrophysikalisches Beispiel ist eine Supernovaexplosion: beim Ableben eines massereichen Sterns stößt dieser den Großteil seines Plasmas von sich. Das schnelle Plasma trifft auf das dünne Medium zwischen den Sternen, das sogenannte Interstellare Medium. Genau wie bei einem Tsunami bildet sich eine Schockwelle aus. Während diese beim Tsunami aus einer Wasserwand besteht, handelt es sich in diesem Zusammenhang um eine Plasmawand – ob sie sich ausbildet, hängt anders als beim Tsunami von den Plasma-Eigenschaften des Mediums ab und insbesondere von den dort vorherschenden Magnetfeldern.
In dieser extremen Situation können Teilchen zu besonders hohen Energien beschleunigt werden und kommen als Kosmische Strahlung auf der Erde an.
Allerdings ist dies bislang eine Theorie, welche experimentell noch nicht eindeutig bewiesen werden konnte: Die beschleunigten Teilchen sind geladen und reagieren deshalb auf kosmische Magnetfelder. Die Bahn der Teilchen durch den Kosmos ist dadurch nicht mehr geradlinig, sondern unvorhersehbar. Das führt dazu, dass die Teilchen nicht mehr ihren Quellen zugeordnet werden können, wenn sie hier auf der Erde ankommen. Stattdessen ist die beobachtete Richtungsverteilung isotrop, das heißt, aus jeder Richtung kommt ungefähr gleich viel Strahlung. Es müssen alternative Möglichkeiten gefunden werden, den Ursprung der kosmischen Strahlung zu identifizieren.
Am Lehrstuhl Plasma-Astroteilchenphysik beschäftigen wir uns mit zwei verschiedenen Ansätzen: (1) Die Beschreibung der Teilchenpropagation durch galaktische und intergalaktische Magnetfelder – je besser man den Transport der Strahlung durch das Hintergrundplasma verstanden hat, umso eher kann man letztendlich Aussagen treffen, was geeignete Quellen sind. Hier arbeitet der Lehrstuhl eng mit der Bochumer Plasmaphysik zusammen, die Input zu den Eigenschaften des Hintergrundplasmas, insbesondere was das Entstehen und die Entwicklung der Turbulenz angeht, die letztendlich die Transporteingenschaften signifikant beeinflusst. (2) Die Untersuchung der neutralen Komponente der kosmischen Strahlung, die zur Identifikation herangezogen werden kann: Wenn die geladenen kosmischen Teilchen an ihrem Ursprungsort mit der umliegenden Materie wechselwirken, entstehen sekundäre Teilchen. Die erzeugten Teilchen sind u.a. Neutrinos und Photonen, welche neutral sind und daher nicht mit den kosmischen Magnetfeldern wechselwirken. Diese Teilchen fliegen geradlinig durch den Kosmos und können daher dazu verwendet werden, die Quellen der kosmischen Strahlung zu finden. Hierzu ist es wichtig zu berechnen, welche Quellen am besten für die Erzeugung von Sekundärteilchen geeignet sind. Basierend auf den theoretischen Modellen können dann Experimente zur Messung von Neutrinos und Photonen mit verschiedenen Analysestrategien verschiedenste Quellen untersuchen. In diesem Punkt arbeitet der Lehrstuhl mit der Hadronenphysik in Bochum und der Teilchen- und Astroteilchenphysik an der TU-Dortmund zusammen.
Neben den theoretischen Berechnungen ist unsere Arbeitsgruppe am IceCube Experiment am geographischen Südpol beteiligt – IceCube wird Ende dieses Jahres komplettiert und wird dann einen Kubikkilometer Eis umfassen, in welchem Neutrinos nachgewiesen werden. Ziel von IceCube ist es, Quellen der kosmischen Strahlung zu identifizieren.
Die Arbeiten des Lehrstuhls in der theoretischen Astrophysik geschieht in den verschiedenen Teilbereichen an der Schnittstelle zu Plasma- und Teilchenphysik. Neben dem Austausch mit den Astronomie-Kollegen in Bochum ist im letzten Jahrzehnt eine langjährige Zusammenarbeiten mit den Lehrstühlen der Plasma- und Hadronenphysik (Bochum) sowie der Teilchen- und Astroteilchenphysik (Nachbaruni innerhalb der Universiätsallianz Ruhr) entstanden und weiterentwickelt worden. Seit September 2016 koordinieren wir diese Arbeiten im Ruhr Astroparticle and Plasma Physics Center (RAPP Center, www.rapp-center.de).