Fakultät für Physik und Astronomie

„Für Wirbel sorgen“ – aber wie? Neuer Artikel in Physical Review Letters erklärt Phänomen der Turbulenzen

24.09.24 | Forschung

Wer diesen Sommer in den Urlaub geflogen ist, hat sie vielleicht hautnah miterlebt: Turbulenzen sind chaotische Bewegungen von Luft- oder anderen Teilchen. So können Wirbel entstehen, die Reisende im Flugzeug ganz schön durchschütteln. Aus Sicht der klassischen Physik sind solche extremen Ereignisse jedoch noch nicht vollständig verstanden. Das wollen Physiker*innen der Ruhr-Universität Bochum und City University of New York ändern: In einem Artikel, der im renommierten Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht wurde, ist es ihnen gelungen, einen neuen Ansatz zu entwickeln, mit dem sich Turbulenzen in einer Gleichung erfassen lassen.

Beobachtet man ein System über einen längeren Zeitraum, tritt folgendes Phänomen auf: langes, reguläres Verhalten wird durch kurze, chaotische Abschnitte unterbrochen. Das nennt man Intermittenz. Solche irregulären Fluktuationen lassen sich mit einer Normalverteilung nach Gauß nicht erfassen. Dieses Problem lösen Sumeja Bureković, Prof. Tobias Schäfer und Prof. Rainer Grauer mit ihrem Artikel, der den Titel „Instantons, Fluctuations, and Singularities in the Supercritical Stochastic Nonlinear Schrödinger Equation“ trägt. Mit der Publikation in Physical Review Letters ist ihnen gelungen, sich in einem weltweit führenden Fachjournal zu platzieren, das sich der Veröffentlichung bahnbrechender und innovativer Forschungsergebnisse verschrieben hat.

Fokus auf turbulenten Dynamiken in schwach wechselwirkenden Strukturen

Die Autor*innen betrachten einen speziellen Fall von sehr isoliert auftrenden extremen Fluktuationen, der in der superkritischen, nicht-linearen Schrödingergleichung auftritt. Diese sind nur schwachen Wechselwirkungen unterlegen. Der Fokus auf solche Dynamiken hat es ermöglicht, einen Ansatz zu entwickeln, der diese Fluktuationen zu 100 Prozent erfolgreich erfasst. Im nächsten Schritt kann er auch auf Systeme übertragen werden, die weniger isoliert und durch stärkere Wechselwirkungen gekennzeichnet sind.

Numerische Simulation von Turbulenzen

Doch wie machen die Forschenden die extremen Ereignisse versteh- und darstellbar? Mithilfe von Instantonen: Diese bilden die Wahrscheinlichkeiten von Turbulenzen als raum-zeitliches Pfadintegral ab.

Instantone mit kleiner und größerer lokalisierter Fluktuation. Abbildung: Bureković, Schäfer und Grauer

So ist es den Autor:innen erstmals gelungen, isolierte und lokalisierte Fluktuationen quantitativ darzustellen und zu berechnen. Dieser neue Blickwinkel ist ein großer Fortschritt in der physikalischen Grundlagenforschung zu Turbulenzen und könnte potenziell für verschiedene reale Anwendungsfälle genutzt werden: Beispielsweise könnte man mithilfe der Gleichung Stabilitätsrechnungen von Windrädern viel genauer und an reale Wind- und Wetterverhältnisse anpassen.

Die Autor:innen – Sumeja Bureković, Prof. Tobias Schäfer und Prof. Rainer Grauer (v.l.n.r.).

Zusammenarbeit über den Globus hinweg

Die Publikation des Artikels ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit, die über sich über mehrere Jahre und Landesgrenzen erstreckt. Bureković hat sich im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Fakultät für Physik und Astronomie mit der Anwendung von Instantonen auf die superkritische, nicht-lineare Schrödingergleichung beschäftigt. Inzwischen hat sie den Master erfolgreich abgeschlossen und einen PhD an der Université Paris-Saclay in Frankreich begonnen. Im Herbst 2022 hat sie außerdem einen zweimonatigen Auslandsaufenthalt bei Schäfer in New York gemacht. Schäfer ist Professor für Mathematik an der City University of New York. Sein Forschungsaufenthalt in Bochum im Jahr 2012 war der Start der Zusammenarbeit mit Grauer, Professor für Theoretische Physik an der Ruhr-Universität, und ihrer gemeinsamen Beschäftigung mit Instantonen.

Den vollständigen Artikel gibt es hier zu lesen: https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.133.077202

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