In Hollywood ist alles möglich, aber wie sieht es in der Realität aus? Seit seinem Erscheinen im Jahr 2014 wird Christopher Nolans Science Fiction-Film „Interstellar“ nicht nur von Filmfans gefeiert, auch viele Wissenschaftler*innen haben den Film für seinen wissenschaftlichen Ansatz gelobt. Dank Doktorandin Sophie Aerdker und PD Dr. Horst Fichtner von der Fakultät für Physik und Astronomie an der RUB konnten im vergangenen Sommersemester gut 20 Studierende aus verschiedenen Fachrichtungen dem Phänomen auf die Spur kommen. Im Interview erzählt Sophie Aerdker mehr über das Projekt.
Sophie, Science-Fiction-Filme gibt es viele, warum habt ihr euch entschieden eine Summer School zum Film „Interstellar“ anzubieten?
Science Fiction-Filme schaffen für Studierende unterschiedlicher Fachbereich schnell eine gemeinsame Basis. Interstellar ist ein tolles Beispiel für Science Fiction mit der Betonung auf „Science“. Außerdem gibt es von Kip Thorne, dem Nobelpreisträger für Gravitationswellen, zum Film das Buch The Science of Interstellar. Im Buch wird die Wissenschaft des Films beleuchtet, das hat dann für unser Projekt perfekt gepasst. Man ist manchmal überrascht, was in Science Fiction-Filmen eigentlich Science ist und was Fiktion. Manchmal ist es genau anders herum als man denkt. Thorne hat den Regisseur Christopher Nolan auch zum Film direkt beraten. Aufbauend auf dem Buch haben wir dann die Summer School geplant und gestaltet.
In den sieben Kapiteln von Thornes Buch werden verschiedene wissenschaftliche Themen des Films behandelt. Wie habt ihr die Themen und Aufgabenstellungen für die Summer School aufbereitet?
Das haben die Studierenden selbst gemacht. Wir hatten mehrere, größtenteils interdisziplinäre, Gruppen. Neben Physik-Studierenden, waren zum Beispiel Studierende aus der Biologie, der Elektrotechnik, dem Maschinenbau, der Umwelttechnik, aber auch aus der Linguistik und der Kommunikationswissenschaft dabei. Einen Studierenden aus der Wirtschaftspsychologie konnten wir für die Summer School ebenfalls begeistern.
Alle Gruppen haben das Buch in die Hand bekommen und haben dann zu verschiedenen Forschungsthemen, die man im Buch finden konnte, Fragestellungen entwickelt. Der Aufhänger war dabei natürlich immer der Film, es wurde also zum Beispiel geschaut, wie realistisch die Themen und Szenarien dargestellt wurden.
Die Studierenden haben sich unter anderem mit Exoplaneten beschäftigt, mit schwarzen Löchern oder mit der Frage, wie interstellares Reisen eigentlich funktioniert und ob es aktuell schon Möglichkeiten dazu gibt.
Wie haben die Gruppen die Themen bearbeitet? Bei interdisziplinären Teams gab es doch bestimmt spannende Ansätze?
Ja, da haben wir nicht nur thematisch eine breite Spanne gesehen, auch in der Aufbereitung der Themen gab es verschiedene Ansätze. Eine Physik-Gruppe hat eine Simulation geschrieben, die einen Flug durch ein Wurmloch visualisiert. Während der Postersession am Ende der Summer School, konnte jede*r mit Tastatur und Maus durch das Wurmloch „fliegen“. Es gab aber auch eine Gruppe, die sich mit ethischen Fragestellungen in Bezug auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse beschäftigt hat. Im Film gibt es die NASA offiziell nicht mehr, sie operiert im geheimen aber noch weiter, ohne dass die Öffentlichkeit davon weiß. Im Film weiß diese Gruppe, dass das Leben auf der Erde keine Zukunft mehr hat, kommuniziert dieses Wissen aber nicht. Dieses Team hat sich also mit der Frage beschäftigt, ob solche Erkenntnisse in der Realität der Bevölkerung mitgeteilt werden müssen oder nicht. Auch zum Thema Klimawandel und möglichen Szenarien auf der Erde gab es eine Gruppe. Sie haben geschaut wie realistisch ähnlich dramatische Szenen wie im Film auf unserer Erde wären.
Eine weitere Gruppe hat sich mit den psychischen Voraussetzungen und Herausforderungen interstellarer Reisen beschäftigt. Dafür haben sie sich die Polar-Expeditionen vom Beginn des 20. Jahrhunderts angeschaut, analysiert und Vergleiche gezogen. Insgesamt hatten wir wirklich viele tolle und spannende Projekte.
Ausschnitt „Interstellar“
Im September habt ihr dann aus der Summer School heraus eine studentische Tagung organisiert. Wie lief das ab?
Genau, das war der zweite Teil der Summer School den wir in einer Projektwoche vorbereitet haben, vorher haben die Studierenden in ihren Gruppen alleine gearbeitet. Die Studierenden haben ihre Themen vorher inhaltlich bearbeitet und dazu einen groben Entwurf ausgearbeitet, in dem sie ihre Ergebnisse zusammengefasst haben.
Diese Abstracts habe ich dann unter den Gruppen aufgeteilt, so dass jede Gruppe die Ausarbeitung einer anderen bearbeitet. Am ersten Tag der Projektwoche sind die Gruppen dann zusammengekommen und haben ihre Ausarbeitungen miteinander diskutiert. Wir haben eine Art Peer Review schaffen wollen, ähnlich wie man es vor wissenschaftlichen Konferenzen macht. Im Anschluss haben die Gruppen ihre Abstracts überarbeitet und dann erst ihre Vorträge und Poster für die Tagung im Beckmanns Hof erstellt. Für die Postererstellung waren wir mit den Studierenden im Makerspace der RUB zu einem Posterworkshop, das war wirklich super.
Zur Konferenz selbst hatten wir dann auch Sprecher*innen unterschiedlicher Disziplinen eingeladen, die zusätzlich zu den Kurzvorträgen der Studierenden längere Vorträge gehalten haben, wie auf einer echten Tagung.
Foto: Aerdker
Wie war das Feedback der Studierenden zum Seminar?
Sehr positiv! Es war schon ein besonderes Format und etwas anderes als die „Standard“-Seminare, das kam bei den Studierenden gut an. Schön war auch die Atmosphäre im Beckmanns Hof, das ist schon etwas anderes als in den üblichen Seminarräumen zu sitzen.
Teil des Konzepts unserer Summer School war auch, dass wir den Studierenden ein bisschen Konkurrenzdenken mit auf den Weg geben und sie auch wirklich Energie in ihre Projekte stecken. Deshalb haben wir am Ende der Tagung das beste Poster und den besten Vortrag gekürt, die Studierenden durften da untereinander abstimmen und die Gewinner-Teams dürfen nun ihre Ergebnisse im Planetarium vorstellen.
Würdest du eine ähnliche Summer School nochmal anbieten? Würdest du etwas ändern?
Ja, ich würde so etwas gerne noch einmal anbieten. Es gibt zum Beispiel noch den Film „Der Marsianer“, der auch toll recherchiert ist.
Dann würde ich versuchen besonders die Tagung am Ende besser in den öffentlichen Bereich zu bringen, also ein wenig weg von der Uni, so dass auch die interessierte Öffentlichkeit leichter Zugang hat und den Zeitpunkt der Veranstaltung anders wählen.
Vielen Dank an Sophie Aerdker für das Interview.